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Ein Leben ohne Prozesse ist zum Verzweifeln

Bei der Einführung von Prozessen stoßen Verfechter und Projektverantwortliche gerne auf Hindernisse. Beteiligte (oder Betroffene) lassen sich oft nicht für neue Werkzeuge begeistern. Dabei ist das Abbilden der Prozesse ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu mehr Klarheit und Transparenz. Hiervon profitiert nicht nur die Organisation, sondern auch die Mitarbeitenden.

Don’t mention the Rechnung

Warum Prozesse wichtig sind, lässt sich an einem Beispiel zeigen, das in jedem größeren Unternehmen verstanden werden kann, sofern es getrennte Abteilungen für die Beschaffung und das Zahlungswesen gibt. Zum einen sind dort die Beschaffungsstellen, die wissen, ob die ausgewiesenen Beträge in der Rechnung korrekt sind. Und um Schmu zu vermeiden, gibt es zum anderen noch die Buchungsstellen. Diese sorgen zu guter Letzt dafür, dass das Geld auch tatsächlich überwiesen wird. Keine Minute zu früh, denn Fremdkapital kostet Zinsen und ein Zahlungsziel in der Rechnung ist wie ein kostenloser Kredit.

Eine eingehende Rechnung und ihre Bearbeitung. Dargestellt, wie es in meiner – naiven – Vorstellung laufen sollte.

Das echte Leben

Im echten Leben sind Prozesse für den Rechnungseingang zu oft gar nicht erst niedergeschrieben. Viele der obigen Schritte sind, so könnte man denken, nutzlos. Den Umschlag zu öffnen und einen Eingangsstempel auf dem Dokument anzubringen mag kleinlich wirken, schließlich kann das genauso gut die Beschaffungsstelle machen. Die kriegen den Wisch sowieso. So oder so ähnlich mag eine nicht näher bezeichnete Poststelle denken.

Prozesse sind nicht immer aufgeräumt oder gar niedergeschrieben. Hier wurde ein Prozess von der Wirklichkeit abgemalt. Bitte frage nicht, wo ich das herhabe.

Lästige Fragen der Buchungsstelle, zum Beispiel wann die Rechnung denn eingegangen wäre, werden anhand des Rechnungsdatums fachlich hochwertig erraten. Einen Eingangsstempel gibt es ja nicht. Die Fälligkeit errechnet sich oft nach dem Eingangsdatum – na ja, du merkst schon, wohin das führt.

Begibt man sich in verschiedene Unternehmen, hört man hanebüchene Geschichten wann, wie und warum Rechnungen zu spät bezahlt werden. Die besten Kalauer hörst du allerdings, wenn in der freien Wirtschaft nach der Zahlungsmoral des öffentlichen Dienstes gefragt wird. Bereits in der Ausbildung lernt man, dass man einer öffentlichen Stelle besser kein Skonto gewährt, denn: Das Geld käme nach dem Zahlungsziel der Gesamtrechnung und Skonto würde dennoch abgezogen (true story).

Prozesse

Grundsätzlich bedeutet Prozess, dass etwas vorne reinkommt, daran wird herumlaboriert und am Ende kommt ein Ergebnis heraus. Idealerweise war das Ergebnis gewünscht, dann war der Prozess zielorientiert. Im Verlaufe dieses Beitrags wird immer von einem Prozess im betriebswirtschaftlichen Sinne gesprochen. Dessen genaue Definition findest du hier. Mit dieser Definition stellt sich heraus: Jedes Unternehmen führt Prozesse aus, meist lässt sich der gesamte Unternehmenszweck als Prozess darstellen.

Prozesse können helfen, Aufgaben zu organisieren und Onboarding zu erleichtern, wenn sie denn niedergeschrieben werden. Gibt es kein Prozessmanagement, greifen Organisationen zumeist auf Beispiele oder Vorstücke zurück, je nachdem, wie strukturiert in dieser Organisation gearbeitet wird.

Beispiele und Vorstücke sind allerdings nur das Ergebnis eines Prozesses und nicht darauf hin optimiert, unbedarften Kollegen und Kolleginnen den kürzesten Weg zum Ziel zu weisen. Es ist in einer Vielzahl der Konstellationen nur bekannt, was reinkommt und was herausgeht. Bestenfalls sind noch mehrere Namenszeichen auf den Dokumenten, sodass noch einige AnsprechpartnerInnen ermittelt werden können.

So oder ähnlich könnte ein Prozess in „Business Process Model and Notation“ – BPMN – aussehen. Auf den ersten Blick wild, aber die Zuständigkeiten sind klar und die Tätigkeiten zumindest grob umrissen.

Werden Stellen neu besetzt, führt dies – ohne Prozessmanagement, also niedergeschriebenen Prozessen – in Folge unweigerlich zu einem zähen Onboarding. Neue Mitarbeitende müssen sich die Punkte und Informationen gegebenenfalls von allen beteiligten Stellen zusammenklauben, da nicht alle Arbeitsschritte in den abteilungsinternen oder organisationsweiten Unterlagen notiert sind.

Neue Mitarbeitende sind in einer Organisation ohne Prozessmanagement damit Freiwild. Befindet sich kein starker Vorgesetzter vor der Person, wird die Unerfahrenheit gerne gnadenlos ausgenutzt, um Zuständigkeiten informell zu ändern („Das habe ich noch nie gemacht, das ist Ihr Job“). Werden neue Mitarbeitende einem solchen Druck ausgesetzt, steigt die Fluktuation und der verlängerte Onboarding-Prozess muss wiederholt werden, da die Neubesetzung schon wieder flüchtet.

Prozessmanagement kostet nur den, der es nicht hat

Dies führt uns zu dem interessanten Punkt der Kosten, denn ein Prozessmanagement kostet bezifferbares Geld. Sei es eine Stelle, welche designiert für diese Aufgabe geschaffen wurde oder seien es die Kosten für externe Berater. Dem gegenüber stehen oft „Eh-da-Kosten“.

Unzufriedene Mitarbeitende lassen sich kaum in Geldwert messen, auch ein Onboarding mag zwar in Zahlen gemessen werden, verabschiedet sich die Neueinstellung wieder, schlägt dies bestimmt keine Organisation der Kostenstelle „Fehlendes Prozessmanagement“ zu. Auch wiederkehrende Grabenkämpfe über Zuständigkeiten kosten letztendlich Geld, messbar ist der Betrag in den seltensten Fällen.

Das Sparpotenzial ist an vielen Stellen vorhanden. Kommen wir auf das Rechnungsbeispiel zurück, so lässt sich Skonto sparen und gegebenenfalls Mahngebühren. Der Rechnungslauf verkürzt sich extrem: Bei einer gewöhnlichen Rechnung kann sich die Laufzeit enorm reduzieren. Darüber hinaus sparen alle Beteiligten einen beachtlichen Teil Arbeitszeit, wenn diese Rechnung ad acta gelegt werden kann und nicht wie ein Bumerang zurückkehrt.

Es steht doch in der Bedienungsanleitung

Wird der Ruf nach einem Prozessmanagement laut und wird ernsthaft damit gedroht, die eigenen Prozesse aufzuschreiben, wird gerne abgewiegelt: Die nötigen Schritte befänden sich schließlich im Handbuch der genutzten Fachanwendung oder ähnliche Argumente werden angeführt. Meist rührt dies aus der Angst, sich messbaren Metriken zu unterwerfen.

Hier hilft es, möglichst alle Beteiligten ins Boot zu holen und klare Ziele vorab zu definieren: Sei es das Onboarding, die Vertretung oder eine bessere Übersicht über die eigenen Tätigkeiten; Streitigkeiten über die Zuständigkeit gehören damit der Vergangenheit an. Und allen Befürchtungen zum Trotz: Werden Prozesse dokumentiert, wird die Organisation beschrieben, nicht ihre Mitarbeitenden.

Sobald die Prozesse, und damit auch die Beteiligten feststehen, lassen sich für bestimmte Fälle Verfahren entwickeln und den Mitarbeitenden damit Entscheidungshilfen an die Hand geben, wie mit bestimmten Fallarten umgegangen werden kann. Nach etwas Eingewöhnung werden die Mitarbeitenden oder die Vorgesetzten auf eine wachsende Bibliothek zurückgreifen. Für die Menschen ein Stressfaktor weniger und für die Organisation weniger Kosten.

Die Form des verschriftlichen Prozesses ist dabei nahezu egal. Es haben sich zwar verschiedene Methoden herausgebildet diese Dinge zu veranschaulichen, z. B. nach BPMN oder DIN, wichtiger ist aber, dass die wichtigsten Informationen zu finden sind: wer, was, wann, wie und womit!

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